Ich bin mächtig stolz – meine Tochter ist mit zwei Freunden drei Wochen vom tiefsten Punkt Österreichs bis zum höchsten Punkt, zum Großglockner gelaufen. Eine Million Schritte, mehr als 650 km und mehr als 13.000 Höhenmeter. Ihr gestecktes Ziel war einerseits der Gipfel des Großglockners und andererseits: Spenden sammeln für 3.333 Übernachtungen für obdachlose Menschen in Unterkünften der Caritas.

Die drei unermüdlichen Wanderer machten auf ihrem langen Weg immer wieder interessante Erfahrungen. Manche waren positiv und andere alles andere als aufbauend. Meiner Tochter zufolge war es ihr wichtig, sich von den gemachten Erfahrungen nicht zu Vorurteilen oder vorschnellen Meinungen verleiten zu lassen, sondern jedem Tag, jedem Abschnitt und jeder Begegnung wieder mit frischen und offenen Augen zu begegnen.

Ich erzähle Ihnen diese Geschichte aber natürlich nicht nur als stolzer Vater. Sondern auch, weil Sie und ich daraus eine wichtige Lektion für unseren Arbeits- und Lebensalltag lernen können. 

Aus Erfahrungen lernen

Dass Ziel und Zweck eines Projektes, unser Denken und unsere Einstellung beeinflussen – positiv wie negativ –, ist uns wohl allen theoretisch bewusst. Doch wie können Sie diesen Umstand für sich nutzen?

Wenn Sie hin und wieder Ihr Denken beobachten, so werden Sie sehr schnell merken, dass Sie sämtliche Erfahrungen bewerten. Es gibt sicher Dinge, die Sie ohne Wenn und Aber als gut empfinden. Sicher gibt es auch einiges, das Sie sofort als schlecht oder negativ abstempeln. Beides ist okay und beides ist normal. Wichtig ist aber, dass Sie sich im Klaren sind, was auf diese Bewertungen automatisch folgt. Bei den positiven Erfahrungen tendiert unser Geist dazu, immer mehr haben zu wollen. Das macht unfrei. 

Bei den negativen oder unangenehmen Erfahrungen drängt unser Geist uns dazu, die Dinge wegzuschieben oder dagegen anzukämpfen. Das kostet Kraft und Nerven. 

Hier läuft ein von der Evolution unserer Spezies angelegtes Überlebensprogramm ab. War für unsere Vorfahren etwas förderlich für das Überleben, so wurde es mit gut und „Haben-Wollen“ beurteilt. War etwas gefährlich, dann eben mit schlecht und „weg damit“.

Raus aus alten Denkmustern?

Es ist Ihnen vielleicht schon aufgefallen: Leider birgt dieses Programm jetzt einen großen Nachteil für uns, wo es vielfach um Innovationen, Neuerungen und Veränderungen geht. Wir interpretieren, beurteilen und bewerten im Grunde alles, was wir an Erfahrungen machen. Diese werden blitzschnell und unbemerkt verglichen mit ehemaligen Erfahrungen, mit Maßstäben und Erwartungen. 

Wir sehen die Welt durch eine Art Filter, der danach unterscheidet, ob etwas gut oder schlecht für uns ist, oder ob es mit unseren Glaubenssätzen und Überzeugungen übereinstimmt. Dadurch blocken wir im Zweifel unter Umständen neue Ideen und Ansätze vorschnell ab und ersticken sie im Keim, nur weil sie nicht in das gewohnte Denkschema passen. 

Mit offenen Augen

Mir ist wichtig, dass Sie nicht an sich zweifeln, wenn Ihnen eine solche Situation einmal an sich auffällt. Dieses von der Evolution angelegte Programm ist derart tief verwurzelt, dass es in vielen Situationen einfach unbewusst und unbemerkt abläuft. Um nicht Spielball der Umstände zu werden, ist es wichtig, offen und präsent zu bleiben: Je präsenter Sie sind, desto schneller und leichter wird es Ihnen fallen, diese inneren Denkprozesse zu bemerken. Und das bedeutet, Sie sind immer weniger diesen zum Teil irreführenden Impulsen ausgeliefert. Sie rutschen bildhaft gesprochen wieder in den Fahrersitz, nehmen das Steuerrad in Ihre Hände und sind aktiv und nicht nur reaktiv. Das ist es, was Sie über die Beschäftigung mit der ersten Disziplin „NOW – präsent und offen sein!“ meiner Wildwasser-Strategie erlangen. 

Und diese Präsenz ist es, die meine Tochter und ihre beiden Freunde den ganzen Weg von 650 Kilometern und 13.000 Höhenmetern hinweg verhalf, offen und unvoreingenommen zu bleiben und auch jetzt noch anspornt, für ihre Sache einzustehen – weiter so!