Am Fluss ist es klipp und klar: In heiklen und spannenden Situationen ist Präsenz angesagt. Diese Gegenwärtigkeit im heutigen Business-Alltag zu leben, erscheint mir um ein Vielfaches herausfordernder. Am Fluss gibt es nichts anderes als den Fluss, die Stromschnellen, das Boot und das Wetter. Wenn es Ihnen nur annähernd so geht wie vielen meiner Kunden, dann sind Ihre Arbeitstage bei weitem nicht so klar und überschaubar. 

Dann sehen Sie sich täglich gefordert, unzählige E-Mails zu beantworten, von einem Meeting zum nächsten zu eilen, hier einen Konflikt zu schlichten, da schnell auf eine Kundenbeschwerde zu reagieren, die Vorstandspräsentation fertigzustellen, den Budgetplan einzuhalten, den Report fürs Controlling fertigzustellen, und so weiter und so fort …

Und jetzt komme ich daher und rate Ihnen: Seien Sie präsent.

 

Wenn’s kommt, dann kommt’s dicke

Ja, das meine ich wirklich so. Seien Sie präsent. Ich rate Ihnen das nicht, um Sie noch mehr in Stress zu versetzen, sondern weil Sie damit im Gegenteil von eben dieser Welle der vielen Anforderungen und der unzähligen Ablenkungen nicht völlig überrollt und weggespült werden. 

Neulich moderierte ich einen Workshop mit einem kleinen IT-Team eines bekannten deutschen Logistikunternehmens. Im Zuge einer nicht allzu großen Organisationsänderung wurde eine neue Teamleiterin eingesetzt, ein Mitarbeiter wurde in einen anderen Bereich versetzt und das Team wurde durch zwei neue Kollegen verstärkt. Nach den ersten Stunden im Workshop hatte ich den Eindruck, wir versinken immer weiter in einer Art Sumpf. Die Stimmung war bedrückt, einige Teammitglieder wirkten sehr müde und die Teamleiterin war völlig erstaunt, welche Frustration herrschte. 

Vorerst ließ ich alle das ansprechen, was sie bedrückte und frustrierte. Da erzählten sie zum einen von Begebenheiten, die vor Monaten, ja zum Teil vor Jahren geschehen waren. Vieles hing mit dem ehemaligen Teamleiter zusammen. Dieser war in einem Spezialthema exzellent und fokussierte eigentlich nur auf dieses Fachgebiet. Das Teamgefüge, die Rahmenbedingungen oder die Weiterentwicklung der Mitarbeiter ließ er links liegen. 

 

Nicht heute, nicht morgen – jetzt!

All dies war längst Geschichte. Aber mir fiel auf, wie sehr sich die Gespräche um vergangene Themen drehten. Wenn die Diskussion dann doch einmal in die Zukunft gerichtet war, so hörte ich wiederum fast nur Sorgen und Befürchtungen. Das geplante Projekt zur Digitalisierung von internen Abläufen würde ja doch wieder einen Mehraufwand bedeuten. Die Organisationsänderungen könnten zudem noch nicht abgeschlossen sein und das könnte sich in weiterer Folge negativ auf das Team auswirken.

Nach einer Pause und einem kurzen Spaziergang forderte ich die Teammitglieder auf, eine Übungseinheit lang nur einmal all das zu benennen, was sie JETZT zur Verfügung haben, worauf sie aufbauen können, welche Dinge eigentlich gut laufen und was sie aus alledem in weiterer Folge machen können. 

Zuerst schauten sie mich etwas ungläubig an. Mit der Zeit entwickelte sich aber ein sehr lebhaftes Gespräch. Sobald jemand wieder ins Früher oder in die Ungewissheit der Zukunft abdriftete, forderte ich sie auf, nur auf die Situation JETZT zu schauen. Und siehe da: Auf einmal bemerkten sie Dinge, die sie bisher in ihren Überlegungen nicht bedacht hatten. So zum Beispiel, dass sie jetzt eine Teamleiterin haben, deren Herz dafür schlug, das Team zu stärken und gute Arbeits- und Rahmenbedingungen zu schaffen. Sie erkannten, dass es mit den neuen Kollegen möglich ist, die hohe Arbeitslast besser zu verteilen. Auf einmal sahen sie Möglichkeiten, wie sie in dem geplanten Digitalisierungsprojekt Einfluss nehmen können. Und so ging es noch eine Zeit lang weiter. 

 

In jeder Lebenslage präsent

Das Schöne an diesem Beispiel ist, dass sich diese Atmosphäre nicht nur äußerst positiv auf den weiteren Verlauf des Workshops auswirkte, sondern jetzt, einige Monate später im Unternehmen immer noch Bestand hat und benachbarte Teams neidvoll auf das konstruktive Arbeitsklima im IT-Team blicken. 

Sie sehen, was ich mit dem Fokus auf das Jetzt meine: Einerseits hilft er Ihnen, von der Welle der vielen Anforderungen nicht weggeschwemmt zu werden. Und andererseits werden durch die Präsenz und die damit verbundene Offenheit und Neugier neue Möglichkeiten erst sichtbar, die Sie ansonsten leicht übersehen. Und das ist nicht gut. Weder für Sie, noch für Ihr Team und Ihr Unternehmen. Wenn Sie es recht bedenken, so ist Präsenz nicht nur wertvoll in der Unternehmenswelt, sondern in all Ihren Lebensbereichen. In Ihrem familiären Umfeld zum Beispiel genauso wie in Ihrer Beziehung zu sich selbst.