Ein großer internationaler Technikkonzern mit weltweit rund 40.000 Mitarbeitern tätigt über Jahre hinweg immer wieder rechts und links kleinere Zukäufe. Sie vergrößern immer mehr ihren Einfluss auf dem Weltmarkt. Klasse, es läuft – könnte man meinen. Wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wäre.

Denn mit dem bloßen Überstülpen eines neuen, einheitlichen Logos sind Führungskräfte und Mitarbeiter noch weit davon entfernt, einen einheitlichen Auftritt auf dem Weltmarkt abzuliefern. Vielmehr stehen sie sich durch die unterschiedlichen Verfahren, Methoden und Ideen gegenseitig im Weg. Ein gefundenes Fressen für die Konkurrenz …

Raus aus der Komfortzone

Vor genau dieser Situation fand ich mich vor gut drei Jahren, als besagtes Unternehmen hilfesuchend auf mich zukam. Es war höchste Zeit, gemeinsam einen neuen Weg zu finden. Denn in dessen Management sah es aus wie in vielen anderen Unternehmen auch: Die größten Blockaden in diesen unruhigen, ungewissen Zeiten waren hausgemacht, da niemand in den zersplitterten Führungsteams über den Tellerrand des eigenen Sub-Unternehmens schaute. Sie blockierten innovative Prozesse und Ideen durch die eigenen Mauern. Statt Vertrauen herrschte Misstrauen, Fehler und Schwierigkeiten wurden vertuscht, von einer offenen Kommunikation und Transparenz keine Spur.

Doch was Sie vor lauter Nachteilen wie eigener, eingefahrener Verfahren, Methoden und Ideen nicht übersehen dürfen, ist, dass Sie auch in solchen Unternehmensstrukturen zweifelsohne Vorteile finden. Im Falle des Technikkonzern war es der Unternehmergeist, der bei vielen stark vorhanden war. Diesen galt es zu erhalten und vom internen Gegeneinander zu einem starken Miteinander umzupolen.

Das Ziel des Führungsteams war also klar: „Wir initiieren uns als flottes, junges, dynamisches Unternehmerteam.“ So begaben wir uns gemeinsam mit den Führungskräften auf die Suche nach dem dazugehörigen Teamgeist, dem „THINK WE!“ Und wo geht das besser als beim tatsächlichen Bau des sprichwörtlichen Bootes, in dem alle Mitarbeiter des Unternehmens sitzen?

Wir sitzen alle in einem … Floß

Bei den ersten Treffen mit den zehn Führungskräften des oberen Managements, den regionalen Leitern aus Europa, USA und Asien, stellte ich gemeinsam mit dem neuen CEO fest, dass genau hier die blockierenden Strukturen vorherrschten, die es zu beheben galt. Sie konzentrierten sich in den Diskussionen immer auf die Vorteile für ihre eigenen Bereiche und blockierten damit jede Idee und Veränderung. Um nun also den gewünschten frischen Wind hineinzubringen, erweiterten wir die Gruppe durch Führungskräfte aus dem mittleren Management, die sich in der Vergangenheit als dynamischer und weniger in altem Denken erstarrt herausgestellt hatten. Die Aufgabe, vor die ich diese Gruppe nun bei einem Workshop stellte, war denkbar einfach und pragmatisch: Flöße bauen.

Sie können sich vorstellen, wie dieser Trip in die Natur endete: Was der CEO des Unternehmens und ich im Vorfeld bereits gesehen hatten, durften die 40 Führungskräfte nun am eigenen Leib erfahren. Statt sich eine gemeinsame Strategie zu überlegen, bildeten sich Grüppchen von acht bis zehn Personen, die verbissen Material nur für sich horteten und ohne Rücksicht jeden vertrieben, der von außen spicken wollte. Das Ergebnis war derart niederschmetternd und ernüchternd, dass allen Beteiligten in der anschließenden Reflexionsrunde schnell klar war: Sie hatten sich durch die ausgeprägte Egozentrik jedes einzelnen selbst ausgebremst, sich während des gesamten Bauprozesses nicht einmal untereinander ausgetauscht und mit Mühe und Not zwei Flöße statt der vorgegebenen vier vollenden können.

Was lange währt, wird endlich gut

Doch der enttäuschende Floßbau hatte seinen erhofften Eindruck hinterlassen: Als ich das Team ein halbes Jahr später zu einem weiteren Workshop zusammenrief, zeigte sich schon ein ganz anderes Bild. Bei einer weiteren Challenge in der Natur, dem Iglubau, fielen die 40 Führungskräfte nur zu Beginn kurzzeitig in die alten Muster zurück. Sie hatten ihre Lektion gelernt und schafften es gemeinsam, mehrere Iglus fertigzustellen. Heute arbeiten die regionalen Sub-Unternehmen viel einheitlicher und im engen Schulterschluss. Die Führung konnte den „THINK WE!“-Gedanken in das Unternehmen integrieren und tiefgreifende Veränderungen vornehmen. Ob in der Produktion, im Vertrieb oder im Marketing – alle arbeiten auf  gemeinsame Ziele hin und erreichen diese schneller und mit weniger Aufwand.

Ich möchte Ihnen nichts vormachen – eine derart weitgreifende Veränderung ist kein Prozess, den Sie von heute auf morgen umsetzen. Doch in den komplexen und unruhigen Zeiten, in denen sich Ihr Unternehmen bewegt, ist das „THINK WE!“ nicht mehr nur ein Nice-to-have, sondern eine essentielle Qualität, wenn Ihr Boot im globalen Wettbewerb eine Chance haben soll. Und eine enorm lohnenswerte noch dazu – denn durch das gemeinsame „Wir“ wird Ihr Führungsteam stärker und souveräner oben bleiben.